Wie sich schon am malerischen Namen des Spielortes – Leutesdorf am Rhein – erkennen lässt, war die Show von Michael Weston King und seiner Frau Lou Dalgleish als „My Darling Clementine“ kein offizieller Teil der gerade laufenden Europa-Tour zur Veröffentlichung des Albums „The Struggle“. Vielmehr hatte sich der Veranstalter, Tim Ohnemüller – ein langjähriger Fan von Michael Weston King und dessen verstorbenem Kollegen Jackie Leven -, einen Wunsch zu seinem 50. Geburtstag erfüllt, und Michael und Lou zu seiner privaten Geburtstagsfeier eingeladen, um dort eine ganz spezielle Songauswahl mit Tims Lieblingstracks vorzutragen.
Mit der notwendigen Portion Skepsis betrat der an ungewöhnliche Auftrittsorte und deren unwägbare Szenarien gewohnte Michael bereits zur Tea-Time die Bühne des großen Festsaals des im malerischen Winzerort Leutesdorf gleich am Rheinufer gelegenen Hotels Leyscher Hof. Jegliche Skepsis verflog jedoch schnell, als Michael nicht nur ein ausgezeichnetes Soundsetting vorfand (das manch professionelle Set-Ups alt aussehen ließ), sondern auch auf ein ungemein aufmerksames, dankbares Publikum traf. Für den Mann, der schon so manche Show mit inakzeptablem Plapperfaktor hat durchleben hat müssen, dürfte es von Vorteil gewesen sein, dass – bis auf einen harten Kern – das Publikum seine Musik gar nicht kannte und nun unvoreingenommen und offen seinen Lyrics lauschte. Das heißt: Eigentlich ging es nur teilweise um Michaels Lyrics, denn Tim Ohnemüller hatte sich auch Songs aus dem reichhaltigen Fundus von Michaels künstlerischen Inspirationsquellen ausgesucht.
Und so bestand das Programm bei dieser besonderen Show dann auch aus vergleichsweise wenigen originären Weston King-Songs, sondern vor allen Dingen aus jenen, die er aus Hochachtung seiner Idole und Freunde als Coverversionen oder Hommagen im Angebot hat. Und davon gibt es eine ganze Menge. Immer wieder wurde bei dieser Show etwa Bezug genommen auf Michaels wichtigste musikalische Bezugsquellen. Zum einen war da der texanische Songwriter Townes Van Zandt, von dem Mike nicht nur ein Fan war, sondern mit dem zusammen er auch bereits zu dessen Lebzeiten zusammengearbeitet hatte. So eröffnete Michael die Show mit Townes‘ „A Song For“ – einer Art Elegie, die der späte Townes für sich selbst geschrieben hat und beschließen tat Mike sein Solo-Set mit „Lay Me Down“ – einer Hommage an Townes, die er anlässlich dessen Todes geschrieben hatte und on the fly mit Townes‘ prophetisches Frühwerk „Waiting Around To Die“ ergänzte.
Auch Mikes langjähriger musikalischer Wegbegleiter, der 2011 verstorbene Jackie Leven wurde in ähnlicher Form geehrt. So trug Mike dessen Song „The Wanderer“ als Coverversion in seiner Solo-Show vor und spielte auch den Song „A Decent Man“, den er zusammen mit Jackie für seine gleichnamige Solo-LP geschrieben und produziert hatte. Im zweiten Teil des Programmes, das er mit seiner Frau Lou Dalgleish als My Darling Clementine gestaltete, gab es dann noch den von Jackie Leven geschriebenen Track „An Elegy For Johnny Cash“, den jener geschrieben hatte, als es Mike nach langen vergeblichen Bemühungen gelungen war, Jackie von der Qualität des Cash-Oeuvre zu überzeugen. Das Highlight in dieser Hinsicht der musikalischen Heldenverehrung war dann indes der Song „Theory Of Truthmakers“, der auf unveröffentlichten Lyrics von Jackie Leven und von Mike und Lou neu geschriebener Musik basierte. Es war übrigens auch Jackie Leven, der Mikes Musik mit einer trefflichen Analyse auf den Punkt brachte, indem er sagte: „Mike lebt ein sehr kompliziertes Leben über das er aber wunderbar einfache Songs schreibt.“ Das gilt bis heute – übrigens auch für die Präsentation Michael Weston Kings.
Auch weitere Idole Mikes wurden auf diese oder jene Weise geehrt: Tragische Songwriter-Idole wie Tim Hardin oder Phil Ochs etwa, Simon & Garfunkel im Zitat oder Ronnie Lane, der Bassist und Gründervater der Small Faces / Faces, dessen 1977er Song „Annie“ Michael Weston King seit Beginn seiner Laufbahn schon als Coverversion im Angebot hat. „Ich muss euch mal was erzählen“, meinte Lou Dalgleish als Mike seine Gitarre für diesen Song neu stimmte, „wisst ihr, wie der Name von Mikes erster Frau ist? Annie. Ich meine ja nur…“
Dass Michael Weston King nicht eben für fröhliche Party-Songs bekannt ist, und sich – weil er wohl keinen unmittelbaren Bezug zum Blues hat – stattdessen auf melancholische Moritaten spezialisiert hat, konnten viele der Anwesenden natürlich nicht wissen. Nicht wirklich heiter – aber doch zumindest gelöst wurde es eigentlich nur bei „Celestial City“ (einem musikalischen Porträt der Stadt Birmingham) und „Mathilda“ (einer versöhnlichen Ballade von Mikes verblichener Band „The Good Sons“. Der Rest des Programmes bestand dann eigentlich nur aus Elegien. Das war aber aus einem traurigen Anlass dann auch ganz passend, denn wenige Tage vor dem Ereignis war Tims Vater verstorben. Aus diesem Grund hatte Lou dann auch noch den von ihr geschriebenen My Darling Clementine-Song „Ashes, Flowers And Dust“ mit auf die Setlist genommen, in dem sie den Tod ihres eigenen Vaters thematisierte. Alles in allem war das dann auch ein besonders würdevoller Abschluss der Show. Nicht, dass die anderen Tracks nicht würdevoll vorgetragen worden wären (denn das ist das Markenzeichen von Michael Weston King, der auf diese Weise der Banalität des Lebens eine gewisse Gravitas entgegen stellt), aber mit der tröstlichen Botschaft von „Ashes, Flowers And Dust“ setzten einen Akzent, wie er treffender nicht hätte sein können.